Mittwoch, 19. Dezember 2018

Die drei Fuhrleute von Wennenden

Im Dezember 1680 befanden sich drei Fuhrleute auf dem Weg von Blaubeuren nach Wennenden auf der Schwäbischen Alb. Es war "ungewöhnlich kalt", also wohl zwischen -10 und -25°C. Diese große Kälte hatte einen massiven Erdfall zur Folge, der unter Donnern und Getöse vor sich ging. Die zu Tode erschrockenen Fuhrleute waren Zeuge eines seltenen Naturschauspiels. Doch was sie sahen und hörten und was sie wahrnahmen, war sehr unterschiedlich. Was sie sahen waren dichte Dampfschwaden, die aus den drei großen Kratern am Wegesrand aufstiegen. Da es in Höhlen selten unter 0°C kalt wird, stieg viel vergleichsweise warme, feuchte Luft auf, die sich in dem kalten "oberirdischen Klima" als Dampf manifestierte. Was sie hörten war das Geräusch von fließendem Wasser. Die Karsthöhlen auf der Alb sind riesige Wasserspeicher und der Absturz von großen Mengen Fels und Erde hatte den unterirdischen See gehörig in Aufruhr versetzt. - Was die drei Fuhrleute wahrnahmen, war aber etwas ganz anderes: Sie sahen Rauch und Feuer! Denn was sich da zu ihren Füßen geöffnet hatte, war der Schlund der Hölle und das Ende der Welt stand unmittelbar bevor. Tod und Verdammnis waren ihnen gewiß! Klar, daß ihre Schreckensvisionen in den umliegenden Dörfern für eine gewisse Aufregung sorgten.
Da größere panisch-hysterische Reaktionen ausblieben, ist anzunehmen, daß die Erzählung der Fuhrleute, die nicht von der Alb waren und in deren Erfahrungshorizont Erdfälle nicht paßten, von einigen ruhigeren einheimischen Gemütern erfolgreich gedämpft wurde und die apokalyptischen Erwartungen ihrer Mitbürger auch nicht eintraten. Außerdem tut sich die Hölle nicht so schnell unter protestantischen Dörfern auf, wie unter katholischen.
Worauf das nur ein Gleichnis sein mag? Aktuell fällt mir da gar nichts ein. Das liegt zwar daran, daß ich mich lieber im 17.Jh. herumtreibe, als im 21., aber kann es nicht sein, daß manche Lehren immer Geltung haben?

Mittwoch, 31. Oktober 2018

Bürokraten

Niemand ist verantwortlich. Niemand ist die Bürokratie. Preußen ist nirgendwo. Sie entschuldigen sich für ihre eigenen Umständlichkeiten und Paragraphen. Ob ernst gemeint oder gespielt, um das Publikum zu beschwichtigen, ist unklar. "Unglückliche Formulierungen" heißt es da, habe man sich ausgedacht. Aber man erkennt sie an ihrer Uniformierung - genau wie auch die Preußen: einer innerlichen, die sich äußert, und einer äußerlichen, die sichtbar ist (pastellfarbenes Hemd, aufmerksamkeitheischende Krawatte). Wichtigstes Bestandteil der Ersteren ist die scheinbare Nachgiebigkeit ("Das müssen wir jetzt nicht lesen", "Das ist auch gar nicht so wichtig"), der devote Ton also und das stete Bedauern der eigenen Existenz.

Stuttgart-Vaihingen (Sapienti sat!) im März 2018